Kolonialpolitik
(Auf Initiative von Walter Rahn, Generalapotheker a.D.)
Die Deutschen sind heute die strengsten Kritiker ihrer eigenen Geschichte. Es ist äußerst interessant darauf zu achten, wie der Rest der Welt unsere Geschichte bewertet. Wie die Taten unserer Vorväter im Ausland gesehen werden. Wie herrlich unverkrampft, zum Beispiel ein Schweizer, schon 1974 formulieren kann....
Dr.Hans Jenny. Geleitwort zu Robert Cornevins „Geschichte der Deutschen Kolonisation“
Übersetzung aus dem Französischen 1974. (Ersterscheinung 1969) Hübener Verlag, Goslar.
Mit freundlicher Genehmigung von Frau T. Jenny
„Unser Zeitalter glaubt ohne Geschichte auszukommen. Begriffe wie Brauchtum oder Tradition erscheinen verpönt und machen jene, die sie unkritisch verwenden, verdächtig. Kommt historisches Geschehen zur Sprache, dann meist mit selbstgerechter Verurteilung der damals gestaltenden Mächte und Personen. Diese Feststellung gilt zumindest für größere Teile des deutschen Sprachgebietes, keinesfalls aber für Afrika.
Da sich aber in neuerer Zeit die Bemühungen um die konfliktfreie Koexistenz aller Menschen unter dem Vorzeichen einer gerechten Güterverteilung mehr und mehr als utopisch erweisen, dürften wohl auch gewisse moderne Tabus wieder fraglich werden. Selbst wenn es stimmen würde, dass man aus der Geschichte nichts lernen kann, so ist es dennoch nützlich, über eine wichtige Epoche europäischer Vorherrschaft zu wissen. Es handelt sich um die Jahre nach der Gründung des deutschen Kaiserreiches unter Bismarcks Führung. Wir werden bei unvoreingenommenem Studium erkennen, dass es den Verantwortlichen jenes Zeitabschnittes weder an Intelligenz noch an Verantwortungsbewusstsein fehlte. Die Missionare, aber auch viele Kolonialbeamte und Offiziere, waren um das Wohl der ihnen anvertrauten Eingeborenen besorgt.
Wir können daher heute objektiv über jenen Zeitabschnitt urteilen, in welchem Europa die führende Rolle in der Welt spielte. Die Kolonialherrschaft erfolgte zwar mit Eroberungen und unter Anwendung von Gewalt. Sie war aber auch eine erste Entwicklungshilfe für archaisch lebende Völker. Die europäische Schutzherrschaft beendete jahrelange Stammeskriege und Willkürherrschaft ebenso wie sie auch Aufstandsversuche provozierte.
Man kann sich darüber streiten, ob diese Menschen – denen wir Christentum, europäische Sprachen, Technik und Medizin gebracht haben – durch alle diese Segnungen glücklicher geworden sind als sie es zuvor waren. Dabei ist aber zu bedenken, dass die integralen menschlichen Beziehungen bereits mit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus begannen. Die darauf folgenden weltweite Entdeckungen und der Überseehandel hatten dieses Tor bereits aufgestoßen.
Der Verfasser des vorliegenden Buches, Robert Cornevin, ist einer der best-renommierten Afrikaspezialisten Frankreichs. 15 Jahre Afrika-Aufenthalt, davon acht Jahre als Administrator im Mandatsgebiet von Togo (der ehem. Deutschen Kolonie), zeichnen ihn als Praktiker aus. Als Leiter des Centre d´Etudes et de Documentation sur l´Afrique et l´Outre-Mer, wissenschaftlicher Schriftleiter der Zeitschrift Afrique Contemporaire, Sekretär auf Lebenszeit der Academie des Sciences d´ Outre-mer, Herausgeber einer großen Zahl historischer Werke über Afrika, hat sich Cornevin auch als Wissenschaftler einen Namen gemacht. Vor allem ist er dank seiner Publikationen im frankophonen Afrika bestens bekannt und beliebt, und er darf daher auch als unvoreingenommener Beurteiler der deutschen Kolonialgeschichte bezeichnet werden. Als Franzose, der die deutsche Sprache beherrscht und die deutsche Kolonialliteratur gründlich studiert hat, steht ihm ein maßgebliches Urteil zu.
Der Verfasser räumt mit verschiedenen Vorurteilen auf. So etwa mit der weit verbreiteten Meinung, die Deutschen seien überall „zu spät“ gekommen, oder ihre Anwesenheit in Afrika und im Stillen Ozean sei eine Episode ohne irgendeine Nachhall gewesen. Die deutsche Kolonialepoche beschränkte sich auf knappe 30 Jahre (von 1884 – 1914), aber die Herrschaft unter den Deutschen bedeutete für ihre Schützlinge den ersten Kontakt mit der europäischen Zivilisation und leitete gleichzeitig das nationale Bewusstsein vieler Kolonialvölker ein.“
(...im weiteren folgen spezifische Absätze zum Buch.....)
Zollikon (Schweiz) März 1974, Hans Jenny