Feldapotheker und Arzneimittel-Notstand in DOA |
von Cornelius Bergengrün |
Wie alle deutschen
Schutzgebiete war Ostafrika weder militärisch noch wirtschaftlich 1914 auf
einen Krieg vorbereitet, der die gewohnten Kontakte mit dem Heimatland jäh
unterbrechen würde. Materialien und Geräte aller Art konnten den Bedarf
kurze Zeit decken, aber Nachschub und Ersatz schienen fast ausgeschlossen
wie die Erfahrung später lehrte (abgesehen von wenigen "Blockadebrechern"
der Handelsschiffahrt mit geringem Nutzen). |
|
Dramatischer ging es bei den Überlegungen zu, die Chinin-Versorgung zur Malaria-Bekämpfung zu sichern, da die Vorräte aus Deutschland bald erschöpft schienen. Als Glück im Unglück erwies sich die Tatsache, dass im Bezirk Usambara des Schutzgebiets fünf grössere Cinchona-Pflanzungen existierten. Die dort geernteten Chinarinden eigneten sich zur Fabrikation von Chinin in eigener Regie und deckten den Bedarf während der Kriegsjahre zu etwa 60 Prozent. Auch hochprozentiger Weingeist konnte beschafft werden mit Apparaten der einheimischen Whiskey-Fabrikanten. |
|
Man verwandte zur
Spiritus-Erzeugung an der ostafrikanischen Küste überwiegend vergorenen Saft
der Kokospalmen, also Palmwein der Eingeborenen. Im Landesinneren
bevorzugten die Leute Maischen aus Getreide wie Mais und Hirse oder aus
stärkemehlhaltigen Knollengewächsen wie Bataten und Maniok. |
Herbst 1917: Notstand
Verbandwatte |
|
|
|
Für knapp gewordene Mittel
zur Bekämpfung von Darmerkrankungen bot sich ein guter Ersatz in Bolus
alba (ein weisser Ton, genutzt als Streu-, Zahn- und Augenpulver, bindet
vorwiegend basische Stoffe). Die Feldapotheker entdeckten in Ostafrika
stark mit Sand durchsetzte, aber auch rein weisse Tonablagerungen. Dieser
Rohstoff wurde nach dem Zerreiben durch wiederholtes Schlämmen restlos von
Sand befreit. Der auf-Filtertüchern gesammelte, fein verteilte Ton liess
sich in Emaille-Schalen unter schwacher Hitze trocknen, pulverisieren und
in Beuteln abpacken. Sowohl Eingeborene als auch Deutsche, die an Ruhr und
anderen Darmstörungen litten, äusserten sich überall zufrieden mit dem
Erfolg dieser Behandlung. |
|
|
Dienststellen des Gouvernements und Wohnungen der Kolonialbeamten in Daressalam, luftig konstruiert zur Bewältigung der tropischen Temperaturen. In der Stadt befand sich auch das Sanitätsdepot mit seiner Zentralverwaltung. |
Um die
Transportschwierigkeiten sicher auszuschalten, die der Versendung grosser
Mengen von Flüssigkeiten im Wege standen, wurden die Abkochungen (Dekokte)
in stark eingeengtem Zustand zum Versand gebracht und so hergestellt, dass
jeweils 30 Gramm mittelfein gepulverter Rinde mit 250 Gramm Wasser und 2,5
Gramm verdünnter Schwefelsäure in einem unbeschädigten Emaille-Topf 30
Minuten in gelindem Sieden gehalten wurden. Anschliessend filterte man heiss
durch ein Tuch und kochte den Rückstand nochmals mit etwas schwach
angesäuertem Wasser aus. Die vereinigten Kolaturen (Filterungen) wurden in
flachen Emaille-Töpfen auf etwa 27 ccm für 30 Gramm Rinde eingedunstet und
zur Konservierung mit Salizylspiritus auf 30 ccm ergänzt. In solcher Menge
war rund ein Gramm Chinabasen enthalten, also eine Tagesdosis Chinin-Ersatz. |
Allerdings erfüllte der
Mullersatz nicht alle Erwartungen in der Praxis, weil dicke Wundsekrete –
gegen alle Hoffnungen – doch nicht aufgesogen wurden (verglichen mit
wässerigen Flüssigkeiten). Nach dieser Enttäuschung wandten sich die
Feldapotheker Kompressen zu, hergestellt aus entfetteter Baumwolle, und das
Problem liess sich auf Umwegen lösen: Zwischen zwei einfachen Streifen Mull
nähte man jeweils eine Lage der selbst erzeugten Watte ein mit den Grössen
sieben mal neun und neun mal zwölf Zentimeter. 500 bis 600 Stück konnten
täglich .sterilisiert werden. Am folgenden Tag verpackte man je sechs Stück
mit Bindfaden und steckte sie nochmals in den Sterilisator. Schliesslich
waren Lieferungen mit jeweils 12 und 24 Mullbinden in Wachstuch gehüllt
versandbereit. |
|
Gruppenfoto der letzten Offiziere Lettow-Vorbecks nach dem Waffenstillstand. Unter ihnen Ober-Apotheker Beyer und mehrere Ärzte neben Schiffsoffizieren und Juristen. Im Zentrum Gouverneur Schnee. |
Kurz vor dem Zusammenbruch des deutschen Widerstands
gelang es noch einmal, die Vorräte der Sanitäter und Feldapotheker durch
unverhoffte Beute in Portugiesisch-Ostafrika (Moçambique) kräftig
aufzufüllen, doch nutzte dies kaum einem der deutschen Verwundeten oder
Tropenkranken. Man muss rückblickend bedenken, dass erst 1880 im Blut des
Menschen Erreger der Malaria diagnostiziert werden konnten und dass in
Hamburg ein Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten seine Arbeit
aufnahm. In allen Schutzgebieten entstanden Kliniken für Weisse und
Eingeborene. Bereits um 1912 wirkten in Ostafrika, Togo, Kamerun und in den
Südsee-Besitzungen (ohne DSWA und Kiautschou-Tsingtau) 110 deutsche
Fachmediziner. |
|
Quellen: Pharmazeutische Zentralhalle für Deutschland Zeitschrift für wissenschaftliche Interessen der Pharmazie Verlag Theodor Steinkopff, Dresden und Leipzig 1919 |