Schulungsplakate „Die Deutschen Kolonien“
als Beispiel der Agitationstätigkeit des
Reichskolonialbundes (RKB) von 1939
(Text von Arne Schöfert)
Die Zeit nach dem Versailler
Vertrag, vom Verlust der Kolonien 1919 bis zur Auflösung des
Reichskolonialbundes im Jahr 1943 war geprägt vom Bemühen der
verschiedensten kolonialpolitischen Organisationen, die „Koloniale Frage“
offen zu halten. Die deutsche Öffentlichkeit sollte sich nicht damit
abfinden, daß die Kolonien für immer verloren waren und den Wunsch nach
einer Rückgabe „der geraubten, deutschen Gebiete“ behalten. Es wurden
nicht nur vielfältige Schrift- und Bildmedien verausgabt, sondern auch
zahllose Vorträge und Ausstellungen abgehalten. Immer mit dem Ziel, das
Interesse und Wissen um die verlorenen Kolonien wach zu halten.
Trotzdem sackten die Mitgliederzahlen der noch vor dem ersten Weltkrieg
starken Verbände rapide herab. Den Organisationen rieselte der Sand aus
ihren Fundamenten...
Einen kurzen, letzten Aufschwung erlebte die kolonialpolitische Agitation
und Propaganda nach dem Zusammenschluß der Kolonialverbände zum
Reichskolonialbund im „Dritten Reich“, unter anderem weil sie sich anfangs
der Unterstützung staatlicher Stellen gewiß sein konnten und größere
Finanzmittel bereitgestellt wurden.
Über die tatsächlichen Beweggründe beim Ablauf des Zusammenschlusses, bzw.
der Gleichschaltung nach 1933 herrschen unterschiedliche Sichtweisen.
Meistens wird die Gründung des Reichskolonialbundes als aufgezwungene
Gleichschaltung der Kolonialverbände durch die Nationalsozialisten
gesehen. Vergleichbar mit ähnlichen Vorgängen bei Gruppierungen für dies
und jenes, von Lehrern-, Studenten-, Fahrlehrer-, Bauernvereinen etc. zu
reichsweiten Verbänden, die vom Regime leichter zu kontrollieren waren.
Andererseits ist es nachweisbar, daß es bereits seit 1923 Bestrebungen gab
die Kräfte der kolonialen Verbände zu bündeln und somit zu stärken. Ein
Ergebnis dieser Bemühungen war 1925 die Gründung der „Kolonialen
Reichsarbeitsgemeinschaft“ (KORAG). Über diverse Zwischenschritte kam es
dann 1933 zur Gründung des Reichskolonialbundes. In der Literatur finden
sich übrigens zwei verschiedene Gründungsjahre. Des Rätsels Lösung ist,
daß es eigentlich zwei gab:
Der „neue Reichskolonialbund“ wurde am 12.5.1936 gegründet. Es gab
allerdings bereits seit dem 10.06.1933 einen Vorläufer gleichen Namens.
„Zunächst wurde im Jahr 1933 der Ring, der die kolonialen Verbände seit
1922 vereinigte, fester geschmiedet, indem sich die Verbände im
Reichskolonialbund unter Führung der Deutschen Kolonialgesellschaft und
unter dem Gouverneur i.R. Dr. Schnee enger zusammenschlossen. Im Juni 1936
fand dann die völlige Verschmelzung der kolonialen Verbände im neuen
Reichskolonialbund unter Führung des Reichsstatthalters Ritter von Epp,
des Leiters des Kolonialpolitischen Amtes der Reichsleitung der NSDAP,
statt.“ („Das Buch der Deutschen Kolonien“ Hrsg. Dr. Schnee, Leipzig 1937).
Ein Beleg gegen die „Gleichschaltung von oben“ ist die Tatsache, daß der
eben gegründete neue Reichskolonialbund (RKB) ohne Anordnung oder
Befragung der NSDAP, mit der Betonung der Eigenständig, zustande gekommen
war, ist, daß er schon zwei Monate später durch einen Erlaß des damaligen
`Stellvertreters des Führers`, Rudolf Hess, wieder aufgelöst wurde. Erst
nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen ist dieser Auflösungserlaß
im Oktober 1936 wieder zurückgezogen worden. |
Sicher war der
Reichskolonialbund Teil des „Puzzles Drittes Reich“. Die Organisation tat
sich aber nie als große Stütze des Systems hervor und warb auch nicht für
die Partei. Sie hatte vielmehr unter vielen Einschränkungen ihrer Arbeit
zu leiden. Wohl auch, weil die vordringlichen Interessen der Reichs- und
Parteiführung bei näherem Hinsehen ganz offensichtlich nicht in Afrika und
den Kolonien lagen, sondern im kontinentalen Imperialismus.
Die Amtsträger des RKB waren nach einer Erhebung 1942 gerade mal zu 60% in
der NSDAP. Ein für damalige Verhältnisse verblüffendes Ergebnis. Die
Zahlen innerhalb der Mitglieder sind leider nicht übermittelt, dürften
aber noch erheblich niedriger sein. Nicht nur, daß ein Großteil der
Kolonialrevisionisten Sympathisanten des Kaiserreiches und der Monarchie
waren, es spielte auch ein weiteres Phänomen eine Rolle.
1933-45 gehörte es, besonders in bürgerlichen Kreisen, einfach zum guten
Ton Mitglied einer Organisation zu sein und dessen Mitgliedsabzeichen mit
Hakenkreuz am Anzugrevers zu tragen. Gesellschaftliche Anerkennung und
Aufstieg schien ohne dieses Attribut kaum möglich. Die Mitgliedschaft im
Reichskolonialbund bot diese Möglichkeit auch ohne Parteimitglied zu sein.
In Erzählungen nach 1945 hieß es gelegentlich „Wenn man schon irgendwo
Mitglied werden mußte, dann dort wo man seine Ruhe vor den Nazis hatte.“
Nach jahrelanger Duldung wurde der Reichskolonialbund 1943 auf Weisung von
Martin Bormann praktisch aufgelöst und das Vermögen auf die NSDAP
übertragen, also faktisch beschlagnahmt.
Im „Gesetz zur Entnazifizierung und Befreiung vom Militarismus“ vom
5.3.1946 wird festgestellt, daß der Reichskolonialbund weder eine Gründung
der Partei noch eine Parteiorganisation und auch nicht ein der Partei
angeschlossener Verband war. |
Leider liegt kaum Literatur
mit einer umfassenden Aufarbeitung der Geschichte des Reichskolonialbundes
vor. Zwei der wenigen Arbeiten sind:
1) „Der Reichskolonialbund – Wiedergabe der Jünemannschen
`Rechtfertigungen`“ von H. Jünemann und H. Mietz im Mitteilungsblatt des Traditionsverbandes
Nr.83 (Jubiläumsausgabe, 100 Jahre Traditionsverband, 1998) Hier als
pdf zum Download
(Heinrich Jünemann war Gauverbandsleiter im Reichskolonialbund) 2) „Der Reichskolonialbund“ Schriften der Hochschule
für Politik, „“ Der organisatorische Aufbau des Dritten Reiches, Heft 30
Dr. Hanswerner Nachrodt, Berlin 1939.
Umfangreiche Informationen über Vorgeschichte der Gründung, innere
Organisation, Schriften, Schulungstätigkeiten und Zielsetzung aus
zeitgenössischer Sicht. |