Der chilenische Orden des Hauptmann Friedrich von Erckert

von Arne Schöfert

Einleitung

Über den Schöpfer der deutschen Kamelreitertruppe, einer der fähigsten Persönlichkeiten in der deutschen Kaiserlichen Schutztruppe, liegt bereits diverse Literatur vor. Die Biografien von Hauptmann Ernst Anders („Hauptmann Friedrich von Erckert – Ein Lebensbild“) und Hans Schmiedel („Hauptmann Friedrich von Erckert in Deutschsüdwestafrika und seine Zeit“) sind hervorzuheben. Besonders die umfangreiche Arbeit von Hans Schmiedel, dessen Werk leider nur aus dem Eigenverlag als kopiertes Manuskript im Umlauf ist, führt eigentlich alles auf, was über Friedrich von Erckert zu bemerken ist.

Der Leser lernt einen faszinierenden, jungen Mann kennen, den Abkömmling einer preußischen Offiziersfamilie, dem sein intellektueller Geist den Militärdienst gelegentlich nur schwer ertragen lässt und dessen Ablehnung engstirniger Vorgesetzter ihn so manches mal anecken lässt. Unter Pseudonymen schreibt er zum Beispiel Artikel für Zeitungen wie die „Zukunft“ und trägt zum Buch „Mit der Schutztruppe durch Deutsch-Afrika“ bei, wo er unter dem Pseudonym Simplex Africanus schreibt. Der Höhepunkt seines Lebens wird die akribisch geplante Expedition gegen die Simon-Kopper-Hottentotten im Jahr 1908. Ein militärischer Geniestreich, über Monate bis auf das letzte Detail geplant, der zum Erfolg, aber auch zum Tode des Kommandeurs und Planers führt. Eine der ersten Kugeln trifft den klugen Hauptmann am Hals. Irgendwo in der Wüste bei Seatsub liegt er begraben. Nach seinem Grab wurde in den letzten Jahren mehrfach gesucht, doch blieb es bisher verborgen. Was zu sehen ist, ist ein leeres Grab mit Grabstein und eine Gedenksäule bei Gochas.

 

 
 
Wesentliche Stationen im Lebenslauf
 
30.12.1869 Geboren in Bromberg
1882 Wechsel vom Gymnasium Freienwalde zum Kadettenhaus Wahlstatt/Schlesien
1886 – 1889 Hauptkadettenanstalt Großlichterfelde (Berlin).
Gelegentliche Dienste am Hof als Page.
22.03.1889 Eintritt ins Heer als Seconde-Leutnant in Grenadierregiment König
Friedrich Wilhelm IV (1.Pommersches), Nr.2 in Stettin.
18.8.1895 – 18.8.1897 Freistellung als Ausbildungsoffizier („Instructor“) zum Aufbau der
chilenischen Armee nach preußischem Muster.
18.10.1897 Premier-Leutnant (Patent vom 27.1.1897) im Garde-Füsilier-Regiment (Berlin)
November 1899 Einberufung nach Bewerbung zur kaiserlichen Schutztruppe Deutsch-Südwestafrika
Mai 1900 Distriktchef/ später Bezirkshauptmann von Omaruru
12.12.1902 Rückkehr nach Deutschland.
Infanterieregiment 92, Braunschweig.
22.05.1904 Beförderung zum Hauptmann und Kompaniechef 2.Komp.92
November 1904 Nach Beginn des Herero-Krieges freiwillige Meldung und Wiedereintritt in die Schutz-truppe. Führer der 12.Kompanie/2.Feldregiment (IV.Batallion).
Teilnahme an diversen Gefechten des Herero-/Hottentottenaufstandes.
April 1907 Kommandeur des Militärbezirkes Nord-Namaland.
01.06.1907 Vorlage der „Denkschrift über eine Unternehmung gegen Simon Kopper in die Kalahari“.
Oktober 1907 Beginn der Ausbildung des Lehrpersonals für das Kamelreiten und der weiteren Vor-bereitungen.
04.03.1908 Erckert ist bereit und beginnt mit dem Abmarsch.
16.03.1908 Sturm auf das Lager der Hottentotten. Von Erckert fällt.
 
 

Der mysteriöse Orden

Auf dem bekanntesten Bild von Erckerts erkennt man einen außergewöhnlichen Orden an seiner linken Brust. Die Identifizierung dieses Ordens erwies sich als sehr schwer. Nachfragen bei diversen Ordenskundlern waren lange Zeit vergebens. Dieser Orden war definitiv keine deutsche Auszeichnung. Es konnte eigentlich nur eine Chilenische sein – nur welche?
Anfragen an deutsche Militärmuseen brachten keine Ergebnisse. Schreiben an das chilenische Militärmuseum in Santiago blieben unbeantwortet. Die in Deutschland zugängliche Literatur über chilenische Orden, war leider auch enttäuschend.
Doch dann meldete sich der Sammlungsleiter des Deutschen Historischen Museums in Berlin, Herr Merta, überraschend noch einmal. Die Frage ließ dem Ordenskundler dort wohl auch keine Ruhe und schließlich war er in einer amerikanischen Publikation von 1932 (Harrold E. Gillingham „Numismatic Notes an Monographs No.56 – South American Decorations and war medals“) fündig geworden.
Der Orden, den von Erckert trägt, ist eine Auszeichnung, die den deutschen Militärinstruktoren nach ihrem Dienst in Chile 1897 verliehen wurde. Während der Umstrukturierung der chilenischen Armee nach preußischen Vorbild (1885-1910) wurden 31 Leutnante und Oberleutnante von Preußen beurlaubt und nach Chile ausgeliehen. Zwei weitere Stabsoffiziere, die bereits außer Dienst waren kamen hinzu. (Siehe Zeitschrift für Heereskunde [ZfH] Nr.298, 1981, wo man preussische und chilenische Akten als Quelle nennt).
Beim Studium der Namensliste kommt es zu einem neuen Rätsel, denn das von Gillingham erwähnte Stück in goldener Ausführung hat auf der Rückseite eine Widmung: „El ministerio de guerra al instructor v. Lindholm“.
Ein Instruktor „von Lindholm“ findet sich allerdings nicht in der Liste der preußischen Offiziere!?

 

Endgültige Aufklärung, aber auch ein weiteres kleines Rätsel ergab dann ein Besuch bei Herrn Walter von Erckert. Die     Ordensspange ist zusammen mit den Verleihungsurkunden noch im Familienbesitz. In dem Schreiben des chilenischen Kriegsministeriums werden alle Empfänger aufgelistet: dreissig Personen, inklusive der zwei Offiziere, die bereits außer Dienst waren. Aber auch dort kein „von Lindholm“...?
Der Neffe Friedrich von Erckerts, Herr Walter von Erckert, erzählte mir bei der Präsentation des seltenen Ordens die traurige Geschichte, daß dies leider nur eine Juwelierskopie sei. In der Inflationszeit ging es der Familie so schlecht, daß man den massiv goldenen Orden einschmelzen lassen musste, vorher ließ man aber noch eine originalgetreue Juwelierskopie anfertigen.
Wieder ein Widerspruch zu Gillinghams Eintragungen. Er schrieb von einer Sonderausführung in Gold. Das ist definitiv falsch. Offensichtlich waren mehr (alle?) Orden aus Gold, denn ein Goldaufkäufer hätte das beim Einschmelzen des Erckertschen Ordens unzweifelhaft bemerkt.

Wir haben also eine Liste der deutschen Instruktoren aus der Zeitschrift für Heereskunde, eine leicht abweichende Liste der Ordensempfänger und eine Beschreibung eines Belegstücks bei Gillingham. Die Abweichungen der Liste der Instruktoren zu der der Ordensempfänger könnte sich damit erklären, daß einige Personen im September 1897 keinen Orden erhielten, weil sie ihre Dienstzeit nicht zu diesem Termin zu Ende brachten (Weiterverpflichtung?) oder daß sie keine Orden bekamen, aus was für Gründen auch immer (vorzeitiger Abbruch der Verpflichtung?)
Endgültige Klärung wird es wohl nicht geben. Aber unfehlbar ist niemand. So hat sich zum Beispiel in Karl Ernst Roths Artikel in der ZfH zumindest ein ärgerlicher Fehler eingeschlichen. Er schreibt vom Instruktor Paul von Lettow-Vorbeck und erwähnt dessen spätere Rolle in Deutsch-Ostafrika. Da irrt Herr Roth leider. Denn nicht Paul, sondern sein Bruder Friedrich war in Chile.

Hier eine Liste als Übersicht. Die Vornamen sind in der chilenischen Urkunde als spanische Versionen genannt, lassen sich aber meist leicht ins Deutsche übertragen. Die chilenischen Dienstgrade sind auf deutsche Ränge abgewandelt (z.B. Coronel = Oberst) und entsprachen in der Regel einem Rang über dem, den die Instruktoren in Preußen hatten.

 
Name

Ordensliste

In der ZfH erwähnt

Gilbert O´Grady (Oberst) ja ja
Felix Deinert (Oberstleutnant) ja ja
Erich von Bischoffshausen (Oberstleutnant) ja ja
Albrecht Kellermeister von der Lund (Oberstleutnant) ja ja
Hermann Rogalla von Bieberstein (Major) ja ja
Günter von Bel(l)ow (Major) ja ja
Graf Hans von der Schulenburg-Wolfsburg (Major) ja ja
Erich Her(r)man(n) (Major) ja ja
Sigismund von Harbou (Harbon?) (Major) ja ja
Friedrich von Rogister (Major) ja ja
Eduard Bansa (Banse?) (Major) ja ja
Karl Zimmermann (Major) ja ja
Friedrich Sipmann (Major) ja ja
Hermann (von der) Haardt (Major) ja ja
Konstantin (von) Alvensleben (Major) ja ja
Jürgen (Jorje?) von Oven (Major) ja ja
Karl von Rüxleben (Major) ja ja
Alexander von Joeden (Major) ja ja
Heinrich (Enrique?) Marcard (Major) ja ja
Eugen von Fritsche(r) (Major) ja ja
Egon von Wulffen (Major) ja ja
Hans Bertling (Major) ja ja
Walter Graf von Königsmarck (Hauptmann) ja ja
Walter Bronsart von Schellendorf (Hauptmann) ja ja
Friedrich von Erckert (Hauptmann) ja ja
Friedrich Güttich (Hauptmann) ja ja
Robert Horn (Hauptmann) ja ja
Friedrich Pirscher (Hauptmann) ja ja
Friedrich von Lettow-Vorbeck (Hauptmann) ja ja
Kurt Grahl (Hauptmann) ja ja
Schneevoigt nein ja
Roth nein ja
Graf von Brockdorff-Ahlefeldt nein ja
Von Wrangel nein ja
 
Text des Verleihungsschreibens (aus dem Spanischen)
 
Republik Chile
Kriegsministerium Sektion 1
  Nummer 1354
  Santiago, den 14.09.1897
 

Seine Excellenz verordnet wie folgt:

In Anbetracht der dem Lande erwiesenen Dienst durch die deutschen Offiziere in der Unterweisung des Heeres der Republik und in Übereinstimmung mit dem Dekret vom 31.Mai Nr.862, Sektion 2a, welches anordnet, für die nachfolgenden Instrukteure eine Medaille zu prägen, wird dieses Dekret erlassen.
Es wird eine Erinnerungsmedaille für die Dienste verliehen an jeden der nachfolgenden Militär-Instrukteure, verpflichtet in Berlin:

(Namenliste)

Für Recht befunden, mitgeteilt und veröffentlicht.
Erraruriz Carlos A. Palacios Z.

Mit dem Schreiben an Sie, diesem Dekret, zeige ich dankbar an, daß die bescheidene Medaille, die es bewilligt, ein Zeichen der Dankbarkeit der nation ist, und einschließt die Anerkennung für die großen Opfer, welche die ausgezeichneten Personen des deutschen Heeres durch die Tat des Verlassens ihres Vaterlandes gebracht haben, dem ruhmreichen Kontinent mit seinen Fähigkeiten und seinen guten Willen, gleichsam als greifbaren Ausdruck unserer herzlichen Bande, die Chile und seinen edlen Freund Deutschland verbinden. Nehmen Sie bitte diese Auszeichnung an, die ihnen die Erinnerung an Ihre Verdienste wach halten wird, sowie den Dank eines ganzen Volkes und die besondere Genugtuung, die das unterzeichnete Ministerium stets darüber bewahren wird.
Gott schütze Sie.

 

 

Friedrich von Erckert 1896 in Antofagasta/ Chile

 

 

Parade der Militärschule vor dem Präsidenten an der Universität Santiago 1897

 

 

 

 1896 auf dem Schießstand in den Korilleren (Erckert ganz links, Mitte Lt. Grahl))

 

 1898 in Berlin als Gardist

 

Ausbildung im Kamelreiten
Deutschsüdwestafrika 1907

 
Quellen und ausgewählte, empfohlene Literatur:
 

Hans Schmiedel „Hauptmann Friedrich von Erckert in Deutschsüdwestafrika und seine Zeit“,
Dortmund 1974

Ernst Anders „Hauptmann Friedrich von Erckert – Ein Lebensbild“, Militärwochenblatt 1910

Julius Ohlemann „Beim Kamelreiterkorps des Hauptmann von Erckert“ in „Auf weiter Fahrt“ Band VI, 1909

Gefechtsmeldung und Nachruf auf Friedrich von Erckert (ohne Autor)
Südwestafrikanische Zeitung vom 25.03.1908

Zeitschrift „Die Woche“ „Die Expedition des Hauptmann von Erckert gegen Simon Copper“ , Juli 1908

Volker Lohse „1908 – Der Kalaharifeldzug der Kopper-Hottentotten“ in Zeitschrift „Damals“, 1989
Volker Lohse „Kalaharimarsch gegen die Hottentotten 6.-22.3.1908“ „Die Zinnfigur“, Heft 2/1974

W. Grunow „Entstehung und Einsatz des Kamelreiterkorps der kaiserlichen Schutztruppe für DSWA“,
„Die Zinnfigur“ Heft 3/1974

Mitteilungsblatt des Traditionsverbandes ehem. Schutz- und Überseetruppen Nr. 6, 1958
„Zum 50.Jahrestag des Todes von Hauptmann Friedrich von Erckert“

Karl Ernst Roth „Die Reform des chilenischen Heeres nach preußischem Muster („La prusianizacion“) 1885-1910“  in Zeitschrift für Heereskunde Nr.298 aus 1981

Harrold E. Gillingham “Numismatic Notes an Monographs No.56 – South American Decorations and war medals” New York, 1932

Bildquellen
Familienarchiv Walter von Erckert
Harrold E. Gillingham “Numismatic Notes an Monographs No.56 – South American Decorations and war medals” New York, 1932
Sammlung des Verfassers


Danksagung
Dieser kurze Aufsatz ist das Ergebnis meiner Recherchen vom Januar 1995 bis Oktober 1996. Ohne die wertvolle Hilfe vieler Personen und Institutionen wäre ich nie zum Ziel gekommen, bei denen ich mich hier herzlich bedanken möchte. Bevor dieses Wissen eventuell verloren geht und auch andere davon profitieren können, habe ich mich im Februar 2005 zur Veröffentlichung entschlossen.

Besonderen Dank an:

Herrn Walter von Erckert
Herrn Prof. Dr. Volker Lohse
Herrn Oberst German Garcia Arriagada, Botschaft der Republik Chile
Herrn Dr. Klaus-Peter Merta, Deutsches Historisches Museum Berlin
Herrn Wolfgang Reith, Traditionsverband ehem. Schutz- und Überseetruppen e.V.
Herrn Dr. Hans Tomuschat, (Nachlass Hans Schmiedel)